Koordination Bühne und Kostüme: Christof
Hußmann
Nachrichten aus der Sparte Ballett: Zur Spielzeit
1998/99 tritt der neue Ballettdirektor Andris Plucis sein Amt an. Plucis, Schüler der
Royal Ballet School London, Tänzer am Theater Bonn und bei William Forsythe in Frankfurt,
war in Gießen, Würzburg und von 1991-1996 Ballettdirektor am Staatstheater Darmstadt.
Zuletzt war er am Landestheater Coburg in dieser Funktion tätig. Während Andris Plucis
mit den Proben für seinen ersten großen Ballettabend Keplers Traum beginnt, stellen die
langjährigen Mitglieder des Ballettensembles im Podium des Ulmer Theaters eigene
Choreographien vor.
Caterina Salvadori, Tänzerin am Ulmer Theater seit
1995, erarbeitete bereits die Choreographie für die Oper Orpheus und Eurydike. Nun
choreographiert sie auf die frühe viersätzige Simple Symphony op. 4 von Benjamin
Britten. Es tanzen in unterschiedlichen Konstellationen drei Frauen und ein Mann.
Das Stück hat keine dramatische Handlung", erläutert Caterina
Salvadori,
es ist eine Folge von formalen Variationen". Eine nachvollziehbare
Handlung" hat dagegen das von Caterina Salvadori choreographierte Solo Questi
cazzi di piccione, mit dem Frank Zappa den Tauben Venedigs ein musikalisches Denkmal
gesetzt hat. Die Choreographin verweist auf den Kommentar Zappas: Der Titel heißt
Diese Scheißtauben. Wenn Sie schon mal in Venedig waren, dann wissen Sie,
daß es dort statt Bäumen Tauben und deren Nebenprodukte gibt. Was warscheinlich einer
der Gründe ist, warum Venedig versinkt."
Der Tänzer Roberto Scafati gehört der Ulmer
Compagnie seit 1994 an und war bereits in zahlreichen exponierten Rollen zu erleben. 1996
choreographierte er zusammen mit Massimo Lanza die Erfolgsproduktion West side Story.
Roberto Scafati choreographiert auf Robert Morans Music from the Towers of the
Moon" für Streichquartett ein viersätziges Stück mit dem Titel Ci vediamo al
muretto (Wir sehen uns am Mäuerchen). Das ist eine Redensart in Italien", so
Scafati, das Mäuerchen ist Treff- und Kommunikationspunkt des Ortes, hier werden
Freundschaften geschlossen. Die Freundschaft ist auch das Thema dieses Ballettes. Im
ersten Satz treffen sich zwei Männer und eine Frau, im zweiten Satz verallgemeinert sich
die Szenerie zu einer Gruppenchoreographie. Der dritte Satz gehört dem Pas-de-deux zweier
Männer.
Die Choreographie ENERGY handelt von der
Körperenergie, die zur Bewegung, zur Aktion antreibt oder einfach versiegt.
Adelheid B. Strelick ist als Choreographin am Ulmer
Theater bereits eine feste Größe. Sie sang und spielte nicht nur erfolgreich im Musical
The Black Rider, sondern schuf hier auch die Choreographie. An der Inszenierung des
Schauspielprojektes Anstatt Rashomon ist Adelheid B. Strelick ebenfalls choreographisch
beteiligt. Ihr neues Stück CELL: 341 , zu dem der Tonmeister des Ulmer Theaters,
Karlheinz Fohlert die Musikcollage erstellt hat, suggeriert die Situation einer
Versuchsreihe. An drei Tänzerinnen werden Verhaltensexperimente und Manipulationen durch
akustische Signale durchgeführt. Wer die Versuche durchführt, bleibt dabei im Dunkeln.
Lernprozesse gehören zu den zentralen Erlebnissen des Menschen", erklärt
Adelheid B. Strelick, schon als Kind bekommt man erklärt, was man darf, was nicht,
wofür es Strafen gibt, ohne daß man erfassen könnte, warum". Auch die drei
Individuen in der Choreographie wissen nicht, wofür sie den Experimenten ausgesetzt
werden, doch Adelheid. B.Strelick ist es wichtig, daß diese drei als Persönlichkeiten
die Situation bestehen und überstehen.
Marion van den Bergh gehört der Ulmer
Ballettcompagnie ebenfalls seit 1994 an. Ihre choreographische Arbeit THROUGH YOUR EYES I
SEE wird in verschiedenen Szenen zwischen den Stücken ihrer Kollegen stehen. Als Thema
verbindet der Prozeß der Bewußtseinsbildung die einzelnen Teile. Eine Frau befindet sich
auf einer Reise - sie möchte die Welt sehen. Doch Reisen sind ja bekanntermaßen vor
allem Reisen zu uns selbst, so sieht sie sich mit einer verhüllten Figur konfrontiert.
In diesem Objekt entdeckt sie ihr eigenes verschlossenes Bewußtsein", so
Marion van den Bergh, sie erfährt vergangene und zukünftige
Bewußtseinszustände,
die eines kleinen Kindes und einer alten Frau. Durch den Wechsel der Perspektive lernt sie
sich erst kennen".