Lukas Bärfuss (*1971)
DIE SEXUELLEN NEUROSEN UNSERER ELTERN (2003)
„Wir wünschten, die Lust zöge an uns
vorüber, wir blieben lieber von ihr unberührt. Gerne schliefen wir in
Unschuld und träumten in Anstand! Aber eines Tages kommt ein dunkles
Erwachen und bringt seltsame Geschichten.
Wie jene von Dora, die nicht ganz richtig
ist im Kopf, ein bisschen langsam, doch von ihren Eltern geliebt wird über
alle Maßen. Sie ist ja das einzige Kind, wenn auch groß geworden in
den letzten Jahren. Von außen sieht man Dora überhaupt nichts an, man
kann sie also mitnehmen und zeigen ohne Scham. Nicht das Saubere mögen
wir schließlich, das wäre eine Unterstellung, bloß das Geputzte hat
unsere Liebe. Ja, Dora ist reinlich und hübsch, aber noch keiner hat je
behauptet, sie sei auch gut aussehend. Erst dieser fremde Herr, der Dora
am Bahnhof anspricht und dazu überredet, mit ihr aufs Hotelzimmer zu
gehen. Dora geht. Spät erst in dieser Nacht irrt sie nach Hause. Mutter
schimpft nicht, sie nimmt ihre zerzauste, schmutzige Tochter in die Arme
und beschwört sie, nie wieder mit einem fremden Mann irgendwohin zu
gehen. Du bist so gänzlich schutzlos, sagt die Mutter, erwache nicht,
träume weiter. Sie nimmt der Tochter ein Versprechen ab. Aber Dora, nun
erwacht, geht wieder hin." (Lukas Bärfuss)
Lukas Bärfuss, geboren 1971 in Thun,
machte zunächst eine Ausbildung zum Buchhändler. Zusammen mit Samuel
Schwarz gründete er die freie Theatergruppe 400 ASA. Seit 1997 lebt und
arbeitet er als freier Autor in Zürich.
REGIE: Christina Friedrich
BÜHNE/KOSTÜME: Susanne Uhl
PREMIERE: 30.09.05, Podium
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