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redpin.gif (993 Byte)Eine Oper aus dem Zeitalter der Aufklärung

redpin.gif (993 Byte)Libretto

Christoph Willibald Gluck

ORPHEUS

UND

EURYDIKE

Azione teatrale per musica in
drei Akten von
Simone Francesco Maria
de Ranieri de' Calzabigi

Wiener Fassung 1762
Deutsch von Thomas Mandl

ORPHEUS Gisela Schubert
EURYDIKE Eva Zettl
AMOR Barbara Baier
Chor des Ulmer Theaters  
Ballett des Ulmer Theaters  
Philharmonisches Orchester der Stadt Ulm  
   
   

Premiere: 23. April 1998

im Großen Haus

 

Musikalische Leitung und Choreinstudierung Thomas Mandl
Inszenierung Werner Pichler
Choreographie Caterina Salvadori
Bühne und Kostüme Andrea Hölzl, Anne-Marie Legenstein
Dramaturgie Klaus Rak
Licht Klaus Salke
Regieassistentin Kerstin Holdt
Ausstattungsassistentin Cornelia Brey
Korrepetition Markus Romes, Igor Beketov
Inspizientin Veronika Geyer
Souffleuse Melanie Rasch-Hönigl
Technische Leitung Ingo Radloff, Peter M. Gramming
Bühnenmeister Georg Zagst
Ton Karlheinz Fohlert
Gewandmeisterinnen Christine Geckeler, Barbara Krämer
Maske Kathleen Rohrer, Andrea Boremski
Requisite Helmut Neul
Malersaalvorstand Lenke Geber-Köresdy
Herstellung von Dekorationen, Kostümen, Masken und Requisiten in den Werkstätten des Ulmer Theaters  

Dauer ca. 1 1/2 Stunden

(keine Pause)

Wir danken dem Württembergischen Reisebüro für die Unterstützung der Produktion


Inhalt der Oper

 

Erster Akt

Orpheus beklagt den Tod seiner Gattin Eurydike. Die Umgebung hallt von seinen Schmerzenslauten wider. Sein ‘Inner-Ich’ (Amor/die Liebe) befiehlt ihm, in den Hades hinabzusteigen, die ihm dabei drohenden Gefahren zu bestehen und seine Gattin Eurydike an die Oberwelt (ins Leben) zurückzuholen. Orpheus zweifelt zwar am Gelingen dieses Auftrages, ist jedoch entschlossen, sich den Prüfungen zu stellen.

 

Zweiter Akt

Die Furien verwehren Orpheus den Zutritt in den Hades. Orpheus bezwingt sie mit seinem Gesang und gelangt ins Elysium.

 

Dritter Akt

Eurydike folgt Orpheus auf dem Weg in die Oberwelt. Sie weiß nichts von dem Gebot, daß Orpheus sie auf diesem Weg nicht ansehen darf. Sie zweifelt an der Liebe ihres Gatten. Orpheus kann sich den Klagen nicht mehr verschließen und wendet sich zu Eurydike um. Sie entschwindet ihm endgültig. Orpheus kann sich mit dem dauernden Verlust Eurydikes nicht abfinden und ist entschlossen, sein Leben durch Selbstmord zu enden. Sein ‘Inner-Ich’ (Amor) weist ihm den Ausweg: Die Liebe (Amor) verbindet Orpheus und Eurydike für alle Zeiten.

 

Klaus Rak

 


Bekannt ist Orpheus und berühmt sein tiefer Schmerz über den vorzeitigen Tod seiner Gattin Eurydike. Sie starb in Thrazien, aber um der Einheit des Ortes willen habe ich ihren Tod in die heitere Gegend um den Averner See verlegt, in dessen Nähe sich die Dichter eine Höhle dachten, die den Zugang zur Unterwelt bildete. Der unglückliche Liebende erregte das Mitleid der Götter, die ihm gewährten, ins Elysium zu dringen, um seine Geliebte wiederzuholen, aber unter der Bedingung, sie nicht eher anzusehen, als bis sie wieder auf die Erde zurückgekehrt seien. Der zärtliche Gatte wußte seine Gefühle nicht in solchem Maß zu zügeln, und nachdem er gegen das Verbot gehandelt hatte, verlor er Eurydike für immer. Um die Geschichte unseren Theaterbräuchen anzupassen, mußte ich die Katastrophe wandeln.

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Ranieri de´ Calzabigi


 


Eine Oper aus dem Zeitalter der Aufklärung

Zwei Künstler, de Ranieri de' Calzabigi und Christoph Willibald Gluck, beide 1714 geboren, versuchen, über den Weg in eine vergangene Zeit, die eigene jüngste Vergangenheit abzustreifen. Ganz bewußt treten sie aus dem Dunkel der höfischen Konventionen hervor. Theater soll als etwas Miterlebtes wahrgenommen werden. Nicht der Sänger als glänzender Darsteller schematisierter, altbekannter und als solche gar nicht mehr durchlebter Gefühle, nämlich "Affekte", wird gefeiert, sondern der Zuhörer soll teilhaben an einem unmittelbaren Geschehen, einer erlebten Entwicklung. Gefühle sollen "echt" entstehen, überraschend kommen und mitreißen. Trotzdem soll der Zuhörer nicht in Sentimentalitäten versinken. Er soll Gefühle selbst an sich wahrnehmen, um das Theater mit der Aussicht zu verlassen, sich selbst erneuern zu können. Dafür fordert Calzabigi von sich, den Text auf kürzeste Formen zu bringen. In der Musik möchte er keine Schnörkel um des Gefallens Willen. Gluck läßt sich diese Forderung nicht zweimal vorlegen.

Dieser Anspruch des Werkes hat mich dazu gebracht, eine neue Übersetzung für das Ulmer Theater herzustellen, da die vorliegenden Übersetzungen nicht direkt genug an dieser Neuerung der Schöpfer von Orpheus und Eurydike" interessiert sind, oder für unseren heutigen Sprachgebrauch veraltet wirken. Das Libretto zeichnet sich aus durch einen völligen Verzicht auf jegliche Wendung, welche nicht unmittelbar auf die Handlung oder das innere Geschehen der Personen


Bezug nimmt. Herausgekommen sind dabei knappste Verse, die eine ungeheuerliche Konzentration aufweisen und, so klein" sie sind, eine Wucht enthalten, die ihresgleichen sucht. Auch da kann eine Übersetzung nur ein unvollkommenes Vehikel sein. Sei es durch Verzicht auf den Endreim oder durch Verzicht auf eine Klangschönheit bzw. Lautmalerei: Kompromisse lassen sich hier häufiger finden als im Original.

Fasse Mut, Dardanide Priamos, im Sinn und fürchte dich nicht!
Denn nicht, um dir Böses zu verkünden, bin ich hierher gekommen,
Sondern habe Gutes im Sinn. Von Zeus bin ich dir ein Bote,
Der sich von fern her groß um dich sorgt und sich deiner erbarmt.
Auslösen heißt er dich, der Olympier, den göttlichen Hektor
Und Gaben dem Achilleus bringen, die seinen Mut erwärmen mögen,
Du allein, und kein anderer Mann der Troer gehe mit dir.
Und nicht soll dich irgend im Sinn der Tod noch eine Furcht
bekümmern,
Denn ein solcher Begleiter wird mit dir gehen: der Argostöter,
Der dich führen wird, bis er dich hingebracht hat zu Achilleus.
(Homer, llias. 24.Gesang)
Es hilft dir die Liebe!
Dir, Orpheus, ob deiner Qualen Zeus erweist eine Gnade.
Dir ist gestattet, die trägen
Fluten der Lethe lebend zu queren!
Bist zu dem Abgrund der Schatten schon auf dem Wege:
Zwingst mit deinem Gesange die Furien,
Die Ungeheuer, den grausen Tod du,
Wird zum Tage die geliebte Eurydike
Wiederkehren mit dir!
(Calzabigi, Orfeo ed Euridice, Akt I)

Die sogenannte Wiener Fassung" von 1762, welche in Ulm gespielt wird, war die erste aus dem oben beschriebenen Anspruch entstandene. Sie verkörpert dessen Verwirklichung sozusagen in Reinform. Zwölf Jahre später entstand für die Pariser Oper eine neue Fassung mit - und das ist typisch für Paris - vermehrten Tanzeinlagen, zum Teil völlig neu komponierten Rezitativen und veränderten Tonarten für einen Tenor als Orpheus, da dort - übrigens ebenso wie in Ulm 1998 - kein Kastrat für die Partie zur Verfügung stand. In unserer Aufführung ist die Partie des Orpheus mit einem Mezzosopran besetzt. Versuche, den Orpheus von einem Bariton singen zu lassen, ergaben eine Verschiebung der Persönlichkeit ins virile. Dem Jünglingshaften des verliebten Orpheus kommt eine Mezzosopranstimme weitaus näher.

Es gibt kaum Arien für die Sänger. Jeder hat nur ein konventionelles Formstück, und das dient nicht dazu, die Stimme, sondern vielmehr die Stimmung darzustellen. Orpheus, der Meistbeschäftigte, hat zudem ein Strophenlied zu Beginn. Und auch dieses ist durchbrochen von Rezitativen und erscheint in dieser Form viel weniger als Lied, denn als Ausdruck seiner sich anstauenden Verzweiflung. Und - formal wunderbar gelöst - wenn Orpheus am Schluß der Oper, an symmetrisch entsprechender Stelle, seine berühmte Arie gesungen hat, macht er sich auf zum Selbstmord. Beidesmal rettet ihn die Liebe in Gestalt des Gottes Amor. Eines der zentralen Stücke des Werkes, das Duett zwischen Orpheus und Eurydike nach deren Begegnung, stellt die


Isolierung der beiden bei gleichzeitig harmonischstem Musizieren in einer Vollkommenheit dar, wie wir sie später bei Mozart in seinen Ensembles wieder erleben. Nur in einem Punkt durfte auch Gluck nicht aus der Konvention: für einen höfischen Zweck mußte er der Tragödie eine glückliche Wendung zum Schluß geben. So durfte der Orpheus" nicht die erste Operntragödie der neueren Musikgeschichte werden.

Der Chor, verwendet im Sinne der antiken Tragödie, tritt als vierte handelnde Person auf. Er führt den Zuhörer ins Werk ein, öffnet den Umweg über die Antike in die aufgeklärte Neuzeit.

Thomas Mandl


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