EXHIBITIONBallett von Qu PingMusik von Antonio Vivaldi, Gottfried Heinrich Stölzel, Jean-Jacques Mouret, The Art of Noise, und Laurie AndersonChoreographie und Inszenierung . . . . . . . . . . Qu Ping Bühnenbild und Kostüme . . . . . . . . . . . . . . . . Qu Ping Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Salke Mit: Roberto Scafati Adelheid B. Strelick *** Marion van den Bergh Rita Lüthi Radostina Parwanowa Caterina Salvadori Ivan Alboresi Giuseppe Bersani Pietro Cannella Massimo Lanza Sinisa Petrovic Choreographische Assistenz und Trainingsleitung . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Hinson, Renata Calderini
Korrepetition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alwina Meissner Ausstattungassistenz . . . . . . . . . . . Elisabeth Witzmann Filmprojektionen . . . . . . . . . . . Protel Film und Medien Inspizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tobias Barthelmeß
Bühnenmeister . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubert Knöpfle Tontechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karlheinz Fohlert Gewandmeisterinnen . . . . . . . . . . Christine Geckeler,Barbara Krämer
Maske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathleen Rohrer, Andrea Boremski
Requisite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Neul Malersaalvorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Laszlo Gyürk Herstellung von Dekorationen, Kostümen, Masken und Requisiten in den Werkstätten des Ulmer Theaters Aufführungsdauer ca. 2 Stunden Eine Pause Premiere am 4. Dezember 1997 im Großen Haus STATT EINER HANDLUNGEin Gespräch zwischen Stephan Steinmetz und Qu Ping zum Ballettabend "Exhibition" STEINMETZ: Beginnen wir mit dem Titel. Das Englische Wort "Exhibiton" bedeutet im Deutschen "Ausstellung". Nun sind wir aber im Theater und nicht im Museum. Wohin führt der Begriff "Exhibition" den Zuschauer? QU PING: Auf die Bühne, in einen großen hellen Raum. Ein Raum für die Ausstellung von Gegenständen. Die Tänzer, die Aktionen sind dort zu sehen wie aufgehängte Bilder oder aufgestellte Kunstgegenstände. Durch Tanz durch Bewegung durch Erzählung baut sich ein gesamter Zusammenhang auf, eine große Struktur, so wie einer Ausstellung die einzelnen Gegenstände aufeinander bezogen sind. In "Exhibition" wird durch die Verbindung der einzelnen theartralischen Elemente eine ganz normale Geschichte erzählt. Es ist kein Handlungsballett, vielmehr eine choreographische Handlungsskizze, ein "handschriftlicher Entwurf". STEINMETZ: Also wird der Zuschauer wie in einer Ausstellung von Objekt zu Objekt - für´s Theater hieße das: von Szene zu Szene - geführt, wobei er sich seinen persönlichen Weg suchen muß, die Elemente finden, die sein Interesse wecken und seine Phantasie entzünden. QU PING: Der Zuschauer muß seine eigene Erfahrung mitbringen, Signale aufnehmen und sich dazu verhalten. Die Bilder und Ideen sozusagen für sich komplettieren. Es gibt in diesem Ballett keine übergeordnete Moral im Sinne von: "Das will unser der Autor sagen!", ich will dem Publikum keine Meinung aufzwingen. Das Publikum selbst ist eigentlich Mitakteur des Abends. STEINMETZ: Ganz hilflos wird das Publikum nicht durch deine Ausstellung wandeln. Eine Figur - es ist der Tänzer Roberto Scafati - führt durch den Abend, er ist durchweg als wiedererkennbares Individuum gestaltet mit einem dramatischen Schicksal. Es gibt daher zwar keine Handlung, aber eine Geschichte. QU PING: Der Hauptfigur gegenüber steht eine zweite Figur, die Tänzerin Adelheid B. Strelick. Sie ist seine Spiegelfigur, seine innere Stimme, seine Seele, sein sprechender Schatten. Sie gibt ihm die Möglichkeit, sich selbst zu sehen. STEINMETZ: Diese beiden Figuren treffen sich zu Beginn des Stückes im Prolog. Durch das ganze Stück treffen und verlieren sich diese beiden. QU PING: Die beiden sind nicht als reale Figuren gedacht. Eigentlich sind sie Symbole. STEINMETZ: Symbole wofür? QU PING: Die männliche Figur steht für Egoismus, Unsicherheit, Steifheit. STEINMETZ: Sind das männliche Eigenschaften? QU PING: Ja. Wer Aggressivität zeigt, der ist im Innern unsicher. Wer unsicher ist, hat Angst und reagiert mit Egoismus. Diese drei Faktoren sind wie eine Kette, die das Verhältnis der Menschen untereinander bestimmt. STEINMETZ: Wenn das die männlichen Eigenschaften sind, was sind dann die weiblichen? QU PING: Die Geschlechtsspezifik spielt da keine Rolle. Deshalb fungiert eine Tänzerin als Spiegelfigur zur Hauptfigur, bei Frauen gibt es diesen Typ ganz genauso. Frauen und Männer haben stets gleich recht oder gleich unrecht. Aber warum ich gerade einen Mann als symbolische Hauptfigur verwende? Nun, ich denke daß Männer die beschriebenen Eigenschaften direkter ausdrücken. der Wandel von ganz stark zu ganz schön schwach kann da rasch erfolgen. Darin drückt sich für mich auch große Sensibilität und Leidenschaft aus. Mich fasziniert der Zusamenhang zwischen angeblicher Stärke und Schwäche. Darin liegt eine Dynamik der Entwicklung, der Entwicklung des Menschen, der Dinge, der Kulturen. Der Anstoß für grundlegende Veränderungen muß von innen heraus kommen, ansonsten passiert immer das gleiche, soviel wir auch von Veränderungen reden. Das war meine Ausgangsidee: Die drei benannten Merkmale verhindern jede Fortentwicklung: Wer unsicher ist, hat Angst vor der Veränderung. Wer nur an sich denkt, hat keine Distanz zu sich und kommt zu keiner Selbsteinsicht. Wenn frische Luft kommt, reagieren solche Menschen zunächst mit Abwehr, dann versuchen sie die Anpasssung. Aber sie können die Veränderung nie akzeptieren, geschweige denn mitvollziehen. Sie bleiben alleine. STEINMETZ: In der Eröffnungsszene sehen wir die Hauptfigur bei dem Versuch, Kontakt zu einer Gruppe von Leuten, den Mitgliedern der Ballettcomopagnie aufzunehmen. Das gelingt nicht, er wird stehen gelassen. QU PING: Durch seine Kleidung ist er von den anderen unterschieden, er trägt historische Kleidung. Seine Annäherung an die Gruppe bekommt dadurch einen absurden Charakter. STEINMETZ: Sein Medium ist das Fernrohr. Er beobachtet die Welt durch das Fernrohr QU PING: Das heißt: er möcht nicht wirklich sehen, was da ist. Durch das Fernrohr sieht nur noch das, was er gern möchte, nicht das, was da ist. STEINMETZ: Auch die Spiegelfigur hat ihr Wahrnehmungsmedium: Die Brille QU PING: Die Spiegelfigur konfrontiert ihn mit sich selbst. Sie provoziert. Die Hauptfigur fragt immer nur "What?"auf die Aussagen ihrer Spiegelfigur. Eigentlich interessiert sie die Antwort gar nicht STEINMETZ: Auch andere Tänzer im Stück greifen zum Fernglas QU PING: Das ist eine Varaition des Motivs. Die Hauptfigur bleibt isoliert. STEINMETZ: Im zweiten Teil sehen wir ein Spiel mit Schatten auf Leinwänden. QU PING: Der Schatten ist wie ein Gedanke. Wir möchten nur unsere gute Seite sehen, haben aber Angst vor unserer schlechten. Unsere schlechte Seite sehen wir wie durch eine Leinwand - unscharf, umrissen, manchmal sowieso unsichtbar. STEINMETZ: Die Schatten auf der Leinwand kann man nicht greifen, sie sind wie ein Traumgebilde. QU PING: Positives, negatives, alles ist drin. Die Hauptfigur möchte es sehen - aber nur hinter der Leinwand. Deshalb muß auch sein Versuch, auf die Gruppe zuzugehen, schiefgehen. In der theatralen Wirklichkeit wird er mit einer starken Gegenenergie konfrontiert. STEINMETZ: Das ist ja geradezu ein tragisches Schicksal QU PING: Natürlich schon. Aber nicht im Sinne eines dramatischen Handlungsballetts. Das Schicksal ist Symbol. Mit seinen Kleidern von vorgestern wird er nicht in die Gesellschaft finden. STEINMETZ: Was ist die Gesellschaft? QU PING: Ich meine damit die Gemeinschaft der Menschen.
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